Illustration von blauen und weißen Sprechblasen

„Der größte Fehler ist es, die Digitalisierung aufzuschieben” Interview mit Christian Schröder zur Digitalisierung von KMU in Deutschland Teil 2

Denise WildenhaynZuletzt aktualisiert am 28. September 2023
5 min
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Wie steht es um die Digitalisierung kleinerer und mittlerer Unternehmen (KMU) in Deutschland?

Nach einem Einblick in den aktuellen Stand der digitalen Transformation in der Bundesrepublik, dreht sich der zweite Teil unserer Serie um diese und einige weitere Fragen rund um das komplexe Thema.

Die Antworten dazu liefert uns Dr. Christian Schröder. Als Forschungskoordinator am Institut für Mittelstandsforschung in Bonn nimmt die digitale Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen einen bedeutenden Teil seiner wissenschaftlichen Arbeit ein. Im Interview mit Aircall lässt er uns an seinen Beobachtungen teilhaben.

Wie schätzen Sie den aktuellen Stand der Digitalisierung von kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland ein?

Der Digitalisierungsgrad der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Deutschland ist höchst unterschiedlich und hängt tendenziell von der Unternehmensgröße und der jeweiligen Branche ab. Generell gilt jedoch immer noch: Der Digitalisierungsgrad steigt mit zunehmender Unternehmensgröße.

Wenig überraschend ist auch, dass im Branchenvergleich die Digitalisierung in den KMU in der Informations- und Kommunikationsbranche am höchsten ist. Im Handel und im Verarbeitenden Gewerbe bewegt sie sich im Mittelfeld. Und im Baugewerbe findet die digitale Vernetzung auf einem niedrigen Niveau statt. Natürlich handelt es sich hier um Durchschnittswerte und es gibt auch innerhalb der Branchen deutliche Unterschiede zwischen den Unternehmen. Und im Vergleich mit dem europäischen Ausland bewegen sich die KMU in Deutschland im EU-Durchschnitt.

Dennoch kann man ganz klar sagen, dass die KMU, die auf Digitalisierung setzen, innovativer sind und eine höhere Wachstumsdynamik aufweisen als Unternehmen mit geringen Digitalisierungsambitionen.

Corona hat für einen wahren Digitalisierung-Boom gesorgt. Wie würden Sie die aktuelle Lage für Unternehmen beschreiben, wo der durch die Pandemie erzeugte Druck wieder etwas nachgelassen hat?

Unsere Studienergebnisse zeigen deutlich, dass es durch Corona tatsächlich einen Digitalisierungspush gegeben hat. Dabei war die persönliche Kontaktreduzierung das Hauptmotiv für den Einsatz digitaler Kommunikationstechnologie. Allerdings haben die Unternehmen, die bereits vor der Pandemie digital gut aufgestellt waren, die Auswirkungen auf ihr Geschäft deutlich positiver bewertet als die digitalen Nachzügler. Letzteren ist es aber auch deutlich schwerer gefallen, durch die Pandemiezeit zu kommen. Positiv ist hingegen, dass die Unternehmen trotz der Rücknahme der pandemischen Maßnahmen durch die Politik und trotz der sinkenden Infektionszahlen eine Vielzahl der Digitalisierungsaktivitäten beibehalten, die sich bewährt haben.

Welche Fortschritte haben KMU im Vergleich zur Situation vor 10 Jahren gemacht (in Bezug auf das Mindset, Strategien, Investitionen etc.)?

Es geht branchenübergreifend in den Unternehmen mit den Digitalisierungsaktivitäten voran. Auch wenn die Dynamik höher sein könnte, haben sich die KMU auf den Weg gemacht. Sie verstehen immer besser, welche digitalen Technologien auf welche Weise nützlich sind, um Prozesse zu optimieren oder neue Produkte und Dienstleistungen zu kreieren. Allerdings gehen die KMU bei ihren Investitionen konservativ vor und setzen auf ausgereifte Technologien. Konkret bedeutet dies: Digitalisierungsschritte werden dann durchgeführt, wenn die Erträge die Investitionskosten in absehbarer Zeit übersteigen. Das führt allerdings auch dazu, dass Zukunftstechnologien wie beispielsweise die Künstliche Intelligenz bisher nur in einem geringen Umfang eingesetzt werden, weil zum Investitionszeitpunkt nur schwer abschätzbar ist, welcher Nutzen sich dadurch erzielen lässt.

Vor welchen Herausforderungen stehen KMU Ihrer Erfahrung nach, wenn es um die digitale Transformation ihrer Wertschöpfungskette geht?

Anders als oftmals angenommen, sind Finanzierungsprobleme selten das Problem. Stattdessen werden die organisatorischen Veränderungen, die mit der digitalen Vernetzung einhergehen, als besonders herausfordernd eingeschätzt. Dazu gehören beispielsweise neue Aufgabenbereiche für Beschäftigte oder auch anspruchsvollere Tätigkeiten, für die eine höhere Qualifikation erforderlich ist. Auch die Sorge um Daten- und Rechtssicherheit hemmt die Digitalisierung.

Wie könnte die deutsche Regierung KMU (noch besser) unterstützen? Welche Fördermöglichkeiten wären Ihrer Meinung nach sinnvoll?

Die Förderlandschaft ist in Deutschland bereit sehr ausgeprägt. Die zahlreichen Sensibilisierungsmaßnahmen speziell für die KMU haben in den vergangenen zehn Jahren das Bewusstsein für die Digitalisierungsmöglichkeiten erhöht. Im Rahmen der Fördermaßnahme „Mittelstand-Digital“ sind mit den Kompetenzzentren flächendeckende Anlaufstellen für KMU im gesamten Bundesgebiet initiiert worden, die über Weiterbildungsaktivitäten und Beratungsangebote die KMU bei der Umsetzung unterstützen. Dazu kommen zahlreiche Initiativen auf Länderebene. Ein Manko sind jedoch weiterhin die infrastrukturellen Voraussetzungen im gesamten Bundesgebiet: So muss der Ausbau der Breitbandversorgung in ländlichen Regionen noch stärker vorangetrieben werden.

Was sind typische Fehler, die KMU bei ihrer Digitalisierung machen? Wie lassen sie sich vermeiden? Was führt langfristig zum Scheitern?

Der größte Fehler ist es, die Digitalisierung aufzuschieben. Unternehmern und Unternehmerinnen aus weniger technologieaffinen Branchen ist das Thema oftmals zu diffus – entsprechend wird es auf die lange Bank geschoben. Ironischerweise gefährden KMU ihre Zukunftsfähigkeit insbesondere dann, wenn die Geschäfte gut laufen und die Unternehmensleitung stark ins Tagesgeschäft eingebunden ist. Gerade dann müsste sie sich jedoch die Zeit nehmen, um das vorhandene Geschäftsmodell auch digital weiterzuentwickeln. Dafür ist eine Digitalisierungsstrategie wichtig, die sowohl die technischen Aspekte berücksichtigt als auch die organisatorischen Veränderungen berücksichtigt und entsprechende Ressourcen bereitstellt.

Welche Unterschiede bestehen in der Digitalisierung von KMU und Großunternehmen?

Große Unternehmen verfügen prinzipiell über mehr Ressourcen. Auch gibt es dort mehr personelles Know-how, um beurteilen zu können, welche Technologien wofür eingesetzt werden sollten. Entsprechend ist das Verständnis ausgeprägter als in etablierten KMU, dass die Digitalisierung die bisherige Wertschöpfungslogik grundlegend verändern kann. KMU wiederum sind aufgrund flacher Hierarchien bzw. kurzer Entscheidungswege in der Lage, schnell und flexibel Digitalisierungsprojekte durchzuführen.

Lean Management, OKRs, Lean Thinking, Agiles Projektmanagement – es gibt Dutzende Konzepte und Strategien, wie Unternehmen ihren digitalen Alltag neu strukturieren können. Was sind Ihrer Meinung nach die 5 wichtigsten Regeln/Aspekte für eine erfolgreiche digitale Transformation von KMU?

Ich denke, dass lässt sich nicht pauschal beantworten. Vielmehr hängt dies von den Voraussetzungen im jeweiligen Unternehmen und dem jeweiligen Projekt ab. Grundsätzlich halte ich Konzepte für bedeutsam, die Veränderungsprozesse positiv zu begleiten. So sollten Change Management Tools eingesetzt werden, die nicht nur technologische Aspekte in den Blick nehmen, sondern die Sorgen oder sogar Ängste der Mitarbeiter vor Veränderungen aufgreifen und das Kommunikationsverhalten stärken.

Welche Rolle spielen innovative Technologien wie die Cloud bei der digitalen Transformation von KMU? Welchen Stellenwert werden sie in der Zukunft einnehmen?

Für den Einsatz einiger innovativer Technologien ist ein bestimmtes Digitalisierungsniveau notwendig. Anwendungen der “Künstlichen Intelligenz” setzen ein gewisses Know-how voraus, das einige Unternehmen erst noch aufbauen müssen. Bei anderen Lösungen, wie beispielsweise dem Cloud-Computing, haben wir bei den kleinen und mittleren Unternehmen – im Vergleich zu den KMU in anderen europäischen Ländern – zunächst eine größere Zurückhaltung beobachten können. Mittlerweile gibt es zahlreiche Lösungen von Cloud-Anbietern, die beispielsweise den Sicherheitsbedenken der KMU sowie deren Sorge vor dem Verlust der Datensouveränität begegnen. Letztlich ist der Einsatz neuer innovativer Technologien erforderlich, um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu erhalten.

Welche Ratschläge würden Sie CEOs geben, die eine nachhaltige Digitalisierung ihres Unternehmens anstreben?

Um die digitale Transformation und die damit einhergehenden Anpassungsprozesse erfolgreich zu gestalten, sind strategische Kompetenzen, eine hohe Veränderungsbereitschaft und eine transparente Kommunikation gegenüber der Belegschaft wichtig. Um neue Technologien zu identifizieren, lohnt es sich, Lösungen von Wettbewerbern oder auch von Unternehmen aus anderen Branchen anzuschauen, die das Potenzial haben, das eigene Geschäftsmodell weiterzuentwickeln. Das notwendige Know-how in der Belegschaft sollten die CEO verstärkt durch Weiterbildungsmaßnahmen und durch die Bündelung von Kompetenzen in Unternehmensnetzwerken aufbauen. Dazu gehören auch Kooperationen mit einem Start-up oder Forschungsinstituten.

Weitere Impulse für eine erfolgreiche Digitalisierung von KMU finden Sie im dritten Teil unserer Reihe.


Veröffentlicht am 13. Juli 2022.

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